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Die Landkarte ist nicht das Gebiet

Aktualisiert: 6. Aug.

Hallo und herzlich willkommen zu Beziehungs-Mindset. Deiner Podcast-Inspiration für gute Beziehungen, Kommunikation, persönliche Entwicklung und wie noch mehr Lebensglück aus deinen Beziehungen ziehst. Mein Name ist Dr. Daniel Köpke und in jeder Podcast-Folge stelle dich dir hier ja einen neuen, kleinen Aspekt davon vor, wie man gute Beziehungen führt. Also nicht nur wie du Konflikte vermeidest und die Beziehung möglichst lange aufrechterhältst, sondern wie du die Beziehung so gestaltest, dass beide Partner noch mehr von der Beziehung profitieren können. Diese Folge wird wohl die letzte aus einer Serie, in der ich dir die Grundannahmen im NLP beschreibe und wie du sie auf Beziehungen anwenden kannst. Und die Grundannahme dieser Folge lautet: „Die Landkarte ist nicht das Gebiet.“ Viel Spaß bei dieser Folge.


Die Landkarte ist nicht das Gebiet, oder im Englischen Original „the map is not the territory“ ist eine Metapher von einem der philosophischen Urväter des NLP „Alfred Graf Korzypski“. Dahinter steht der Gedanke, dass im Grunde niemand von uns Menschen „wirklich“ weiß, wie die Welt wirklich ist. Sondern dass die Welt in der wir leben nicht mehr als ein Konstrukt unseres Geistes ist. Die Dinge, die uns freuen, die uns Angst machen oder die unser Herz berühren sind nur selten Dinge, die wir direkt mit unseren Sinnesorganen sehen, hören, fühlen, riechen oder schmecken können.


Unser Geist simuliert


Vielmehr machen wir eine Sinneserfahrung – essen ein Stück Obst und merken – „Oh das schmeckt ja lecker…“. Dann essen wir nochmal ein Stück Obst und merken „Oh wieder lecker.“ Und spätestens nach dem dritten Mal müssen wir das Obst schon gar nicht mehr buchstäblich schmecken um zu wissen: Obst ist lecker. Es reicht dann die Vorstellung von Obst, dass wir das Gefühl von „lecker“ empfinden. Und wenn wir dann Lust auf etwas Leckeres haben, nehmen wir uns vor, beim nächsten Einkaufen etwas Obst mit in den Korb zu packen.


In unserem Kopf läuft eine Art Simulation ab, die voraussagt, wie sich die Welt wohl verhalten wird – was uns wohlgesonnen und nützlich ist, was gefährlich und was aufregend ist… Was Spaß macht und wofür man wahrscheinlich Ärger bekommt. Jordon Peterson definiert das „Denken“ als „abstract action“.


Und diese interne Simulation ist so wirkmächtig, dass sie unsere Emotionen, ja teilweise sogar körperliche Reaktionen unwillkürlich steuert. Du hast doch bestimmt schon auch mal nicht nur in leckeres Obst, sondern auch mal in eine Zitrone gebissen oder? So eine richtig quietschesaure Zitrone. So richtig saftig. Und wenn du dir nur mal vorstellst, wie du so eine Zitrone jetzt in saftige Scheiben schneidet und ein bisschen quetscht, und dir vorstellst, wie der saure Saft dort raus läuft. Und wenn du dir dann vorstellst, dass du da jetzt rein beißt… Merkst du dann, wie dein Mund beginnt Speichel zu produzieren?


Ich finde das erstaunlich… Denn schließlich nehme ich an dass du jetzt gerade gar keine Zitrone buchstäblich sehen, hören, fühlen, riechen oder schmecken kannst. Nur in deiner Vorstellung. Und trotzdem reagiert dein Körper – auch wenn du rational-kognitiv genau weißt, dass es im Grunde gerade völlig sinnlos ist, Speichel zu produzieren.


Diese interne Simulation der Welt, auf die unsere Emotionen und unser Körper oft sehr viel stärker reagiert als auf die „tatsächliche Welt“ ist das, was Korzypski als mit einer inneren Landkarte oder einem Modell der Welt gemeint hat. Solche Landkarten und Modelle haben wir für alles mögliche, was im Grunde viel zu komplex für unseren begrenzten Geist ist um es vollständig zu begreifen: Naturgesetze, die Funktion des menschlichen Körpers, die menschliche Psyche und die Persönlichkeit anderer Menschen. Vor allem auf die Modelle, auf das Bild das wir uns von anderen Menschen machen, will ich in diesem Podcast ein bisschen näher eingehen.


Wir machen uns ein Bild von anderen Menschen


Wir alle müssen – um mit anderen Menschen irgendwie zurecht zu kommen, ein Bild davon machen, wie Menschen drauf sind – was ihre Eigenarten und Macken, Stärken und Schwächen und Charaktereigenschaften sind. Denn schließlich müssen wir ja irgendwie entscheiden, ob wir mit anderen Menschen Handel treiben wollen, ob wir mit ihnen befreundet sein wollen, ob wir gegen sie kämpfen oder uns mit ihnen paaren. Das unangenehme ist nur: Das Bild, das wir von anderen Menschen haben, das Bild auf deren Grundlage wir diese Entscheidung treffen, ist in jedem Fall falsch. Also vielleicht nicht falsch, aber auf jeden Fall unvollständig.


Auf der Landkarte, in die wir vermeintliche Persönlichkeitsmerkmale, Vorlieben, Angewohnheiten, Stärken und Schwächen von anderen Menschen einzeichnen enthält erstaunlich viele weiße Flecken, eingezeichnete Brücken wo es in Echt gar keine Brücken gibt und Gebäude, die den Gesetzen der Physik niemals standhalten würden und Straßen, die sich einfach irgendwo in der Leere verlaufen.. Unser subjektiver Eindruck von dieser Karte ist aber: So sind die anderen wirklich!


Praxisbeispiel


Machen wir es gleich mal praktisch: Lass mich dir mal ein Bild von einem Menschen malen und beobachte mal deine Reaktion, ob du diesen Menschen vermutlich sympathisch oder unsympathisch, interessant oder uninteressant findest.


Also diese Person ist ein Mann, 45 Jahre alt. Er ist von Beruf Arzt und hat auch einen Doktortitel. Sternzeichen Skorpion. Sonntags geht er zu regelmäßig zu evangelischen Gottesdiensten. Sein Kontostand liegt bei etwa 10 Millionen Euro. Er ist nach eigenen Angaben glücklich verheiratet und hat 2 Kinder, ein Mädchen und einen Jungen. Bei der letzten Wahl hat er die AFD gewählt. Seine Lieblingsfarbe ist Lila. Er ist geboren in Zürich und lebt heute in Berlin. Seine wichtigsten Werte sind Liebe, Achtsamkeit und Humor. Er hat eine NLP-Ausbildung und besucht regelmäßig Seminare zu Kommunikation und persönlicher Entwicklung. Mit 16 Jahren wurde bei ihm eine Borderline Persönlichkeitsstörung diagnostiziert. Er hat einen BDSM-Fetisch und lebt diesen mit einer professionellen Domina aus. Seine Frau weiß nicht davon. Er reist sehr gern und ist besonders fasziniert von der südamerikanischen Kultur. Er hat viele Freunde aus der LGBTQ Community, und viele Menschen sagen ihm nach, dass er sehr gut zuhören kann und sehr zuverlässig ist.


OK das reicht erstmal. Und ich hoffe, in der Liste war jetzt mindestens eine Eigenschaft dabei, bei der deine spontane Reaktion war „Oh, das finde ich jetzt aber nicht so geil.“ Und wie viele Momente gab es, als du dachtest: „Oh das überrascht mich jetzt aber… Irgendwie passt das nicht so recht zusammen.“


Weil, im Grunde habe ich dir nicht einmal Eigenschaften dieses Menschen beschrieben, sondern lediglich Fakten, über die unser Gehirn spontan Geschichten über Eigenschaften von diesem Menschen, über Ursachen, Auswirkungen, Verbindungen und Implikationen erfindet. Nehmen wir mal den Kontostand von 10 Millionen Euro. Wie kommt es dazu? Hat er das Geld selbst verdient? Wenn ja, womit? Hat er es gestohlen oder ergaunert? Geerbt? Was sagt es über seinen Charakter aus? Dass er strebsam und diszipliniert ist? Geizig oder großzügig?


Was hat es mit dem Borderline auf sich und welche Schlussfolgerungen ziehst du daraus? Vielleicht dass er emotional labil ist? Oder besonders emotional expressiv, manipulativ oder abenteuerlustig? Ist das der Grund für seine Werte Liebe, Achtsamkeit und Humor? Oder die Erklärung für seine Reiselust? Für seinen Fetisch? Für seinen finanzellen Erfolg? Oder muss diese Diagnose bei einem Menschen der so erfolgreich ist eine Fehldiagnose gewesen sein? Oder geht er deswegen zu den Gottesdiensten? Was für eine Auswirkung hat die Information über diese Diagnose darauf, ob du ihm vertrauen würdest, auf dein Haustier aufzupassen? Ob du ihn für einen Job einstellen oder eine Beziehung mit ihm eingehen würdest?


Vorsicht mit Interpretation


Die Sache ist: Nur weil du ein paar Fakten über einen Menschen kennst, weißt du im Grunde nichts über seinen Charakter. Auch wenn uns das unser Gehirn sehr schnell einreden möchte. Was einen Menschen ausmacht, ist meiner Meinung nach sehr viel mehr als seine Religion oder seine politische Orientierung. Sein Kontostand oder seine Beziehungen. Mehr als ärztliche Diagnosen und Interessen.


Nur, die Evolution hat es uns so eingerichtet, dass wir aufgrund sehr weniger Informationen über einen Menschen uns schnell eine Meinung bilden und entscheiden können, ob wir ihn mögen oder nicht – ob ihm vertrauen können oder nicht. Und das aus gutem Grund: Wenn ein Säbelzahntiger angegriffen hat, war in der Regel keine Zeit für einen monatelangen Assessmentcenter-Prozess. Und der Neandertaler, der seinen potenziellen Helfer erst einmal gefragt hat: „Sag mal, wo kommst du eigentlich her? Was sind denn eigentlich so deine Ziele und Werte im Leben? Wie bist du denn eigentlich so drauf?“ konnte sich leider nicht weiter fortpflanzen.


Dass negative Vorurteile nicht besonders toll sind für Beziehungen sind, ist wahrscheinlich den meisten logisch. Wenn jemand gleich als unzuverlässig und nicht vertrauenswürdig unten durch bei dir ist, weil er das falsche Sternzeichen hat, wird es ziemlich schwierig werden, vertrauensvolle Beziehungen aufzubauen. Und doch finde ich es wichtig darüber zu sprechen, weil ich im Grunde jeden Tag von Menschen höre, die anderen Narzissmus unterstellen, nur weil jemand mal etwas energischer seine Meinung vertritt, oder dass der andere gleich eine Bindungsstörung hat, nur weil der andere sich nicht gleich auf eine Beziehung mit dir committen will.


Nicht nur negative Unterstellungen können toxisch sein


Doch auch positive Vorurteile haben ihre Tücken. Wenn du beispielsweise bewusst oder unbewusst auf einen großzügigen und genussvollen Charakter schließt, weil jemand bei den ersten Dates in teure Restaurants einlädt und die Rechnung übernimmt, kann das zu einer Erwartung führen, die irgendwann enttäuscht wird.


Besonders krass ist das beim Love-Bombing. Dabei überschüttet ein Paar in der anfänglichen Verliebtheitsphase einander mit Liebe, schönen Worten und den großartigsten Versprechungen für die Zukunft. Der andere ist dann die Liebe des Lebens, für die man alles geben würde. Man verspricht sich immer füreinander da zu sein und einander treu und ehrlich zu sein und alles dafür zu tun, den anderen glücklich zu machen. Und wenn dann die ersten Verliebtheitshormone verflogen sind und plötzlich auch mal kritischere Worte fallen, entsteht bei so manchem der Eindruck: „Was ist eigentlich aus dem Menschen geworden, in den ich mich damals mal verliebt habe?“


Es ist immer wieder beeindruckend, mitzubekommen, wie sehr wir an dem Bild, das wir uns von einem Menschen gemacht haben, hängen und mit welcher Energie wir das verteidigen. Wer einmal ein liebevoller und fürsorglicher Mensch ist, ist doch nicht zu verbaler oder gar körperlicher Gewalt imstande, oder? Und wer einmal den Stempel „sexy“ weghat, an dem ist dann plötzlich alles sexy – wie er spricht, wie er sich kleidet, wie er mit anderen Menschen umgeht… Aber wehe jemand zeigt mal ein Verhalten, das so überhaupt nicht zu diesem Bild passt!


Ich habe ein paar Lehrer in meinem Freundeskreis, die schauerliche Geschichten von ihren Schülern erzählen. Und wenn dann die Eltern mit diesen Geschichten konfrontiert werden, kommt von den Eltern erschreckend häufig eine Verteidigung der Kinder als Reaktion – so nach dem Motto „Nein, Mein Sohn würde so etwas nie tun.“ Oder „Na bestimmt haben Sie ihn dazu provoziert.“ Oder „und was hat das andere Kind da in der Situation gemacht?“


Es ist eine der schmerzhaftesten Erfahrungen für uns Menschen, wenn wir uns ein Bild von einem Menschen machen und dieses Bild dann enttäuscht wird, wenn dieser Mensch also plötzlich ganz anders ist als wir anfangs dachten. Wenn jemand, dem wir vertraut haben, doch sensible Informationen über uns mit anderen teilt. Oder wenn jemand, den wir für zuverlässig gehalten hatten uns dann einmal doch im Stich lässt. Dabei müssten wir über diese Ent-Täuschung eigentlich dankbar sein. Denn wenn wir enttäuscht werden, ist das das Ende einer Täuschung – unserer Täuschung.


Ich finde es unglaublich schade, wenn Beziehungen enden, weil wir ein Detail über einen Menschen erfahren, das unserem bisherigen Bild von diesem Menschen wiederspricht. Am tragischsten fand ich es in der Corona-Zeit, als tausdende Freundschaften und sogar Familien sich zerworfen haben, weil der andere die „falsche“ Einstellung in Bezug auf das Thema Impfen hatte. Alle positiven Erfahrungen, die man mit dem anderen Menschen hatten, all die guten Zeiten waren plötzlich nicht mehr im Zentrum der Wahrnehmung, weil der andere entweder ein Schwurbler oder ein Schlafschaf war. Und mit solchen Menschen will man ja nichts zu tun haben…


Umgang mit Enttäuschung


Wenn Menschen enttäuscht werden, reagieren sie ganz oft so, als wäre ihr früheres Bild von dem Menschen falsch. Als wäre alles eine große Lüge, ein großes Scharadespiel gewesen, das jetzt wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen ist. Dabei war dein Bild von dem anderen Menschen gar nicht falsch. Es war nur unvollständig.


Wir Menschen haben alle das Potential, wirklich gute, freundliche und liebevolle Taten zu vollbringen und über uns hinauszuwachsen. Und in uns allen schlummert AUCH ein Raubtier, das zu wirklich grauenhaften Dingen in der Lage ist. Kein Mensch ist NUR vertrauenswürdig und ehrlich, und kein Mensch ist NUR ein Lügner und Betrüger. Kein Mensch ist nur brillant und genial und niemand ein vollkommener Vollidiot. Und kein Mensch ist eine ausnahmslos zuverlässige Maschine und niemand ist ausschließlich ein lebensunfähiger, verantwortungsloser Faulpelz.


Für mich sind andere Menschen eher ein Spektrum von potentiellen Verhaltensweisen – ein Potential von verschiedenen inneren Anteilen. In meiner Welt hat jeder das Potential zu einem Mörder und zu einem Heiligen. Jeder Mensch trägt einen göttlichen Funken und einen abscheulich bösen Kern in sich. Aber das schöne ist: Allein damit, dass ich sie sehe oder nicht sehe, kann ich darüber mitbestimmen, ob wie in Erscheinung treten oder nicht.

Welche dieser Seiten tatsächlich verstärkt bei anderen Menschen in Erscheinung tritt, hängt maßgeblich davon ab, was wir von ihnen halten. Ein Mensch, von dem ich glaube, dass er überwiegend gut ist, wird viel bereitwilliger gutes Verhalten zeigen, als ein Mensch vor dessen bösen Verhalten ich mich zu schützen versuche.


Es ist wie in dem alten Witz – ich hab den mal bei Paul Watzlawick gehört: Da sitzt ein Mann auf einer Parkbank und alle paar Minuten klatscht er in die Hände. Da kommt ein zweiter Mann hinzu und sagt: „Sagen sie, warum klatschen Sie eigentlich?“ „Wegen der Elefanten“, sagt er. „Aber hier sind doch gar keine Elefanten“, sagt der andere. „Sehen Sie… Es funktioniert.“

 

Pygmalion-Effekt


Vielleicht hast du auch schonmal von diesem Pygmalion Effekt gehört. Dieser Effekt geht auf ein Experiment aus den 60ern zurück, in denen eine Schulklasse aufgrund eines Tests den die Schüler gemacht hatten, in eine besonders begabte Klasse und eine weniger begabte aufgeteilt wurde. Und nach kurzer Zeit zeigte sich tatsächlich, dass die begabte Klasse viel bessere Leistungen gebracht hatten und sogar in offiziellen IQ-Tests besser abgeschnitten hatten als die weniger begabten Schüler. Was allerdings weder die Lehrer noch die Schüler wussten war: Der Test war gefakt. Und die Schüler wurden einfach zufällig auf die Klassen aufgeteilt.


Um diesen Effekt der selbsterfüllenden Prophezeiung von dem was wir von anderen Menschen erwarten einmal erfahrbar und spürbar zu machen, habe ich für meine Seminare mal eine Übung entwickelt, die ich schon ein paar Male angeleitet habe. Die Übung nenne ich „Projektion programmiert.“ Das Setting ist so: 2 Teilnehmer – nennen wir sie mal Sebastian und Stephanie – kommen am Anfang des Seminars vor die Gruppe und sollen einfach ein bisschen Smalltalk machen. Stephanie bekommt dann ein Kärtchen gezeigt, auf dem eine Behauptung steht, warum Sebastian angeblich „wirklich“ an diesem Seminar teilnimmt. Das Kärtchen wird dann in der Gruppe herumgereicht, so dass alle wissen, warum er wirklich an dem Seminar teilnimmt. Also Außer Sebastian natürlich.


Auf dem ersten Kärtchen steht dann zum Beispiel, dass er eine schwere Ehekriese hat und das Seminar als letzte Chance sieht, seine Ehe zu retten. Nach komme ich dann auf Stepahnie zu und sage: „..“zeige ich dann Stephanie das nächste Kärtchen, auf dem zum Beispiel steht, dass Sebastian in Stephanie verliebt ist, dass er sie seit langem heimlich stalkt und davon erfahren hat, dass sie bei diesem Seminar dabei ist. Wieder auf einer anderen Karte stand, dass Sebastian Stephanies Seelenverwandter ist, und dass das Universum ihn geschickt hat, dass sie sich hier begegnen.


Das erstaunliche an der Übung ist für mich nicht einmal, dass – je nachdem welche Geschichte Stephanie im Kopf hat, das Gespräch zwischen den beiden manchmal sehr angeregt und manchmal eher steif und unangenehm verläuft Erstaunlich finde ich, bei wie vielen Geschichten Sebastian über Dinge im Smalltalk spricht hat, die die Geschichte auf der Karte zu bestätigen scheint.


Ohne dass er davon weiß, dass auf einer z.B. Karte die Behauptung steht, er wäre ein bisschen autistisch, und ohne dass Stephanie ihm direkte Hinweise darüber gibt, was sie über ihn denkt - sagt er in dieser Runde so etwas wie „Weißt du, ich finde ja emotionale Intelligenz total interessant. Ich würde ja gerne lernen, wie Menschen so funktionieren.“ Und als es heißt, er sei ein Zeitreisender aus der Zukunft, der gekommen ist um Stephanie dabei zu helfen, die richtigen Entscheidungen zu treffen, spricht er plötzlich unaufgefordert viel langsamer und bedächtiger und seine Worte wirken plötzlich unglaublich weise und tiefgründig.


Ich glaube zum Teil prägen solche Geschichten einfach unsere Wahrnehmungsfilter. Alles was der andere sagt wird einfach so gedeutet, dass es zu unserem voreingestellten Bild passt. Zum Teil unterschätzen wir glaube ich aber auch wie viel wir auf der nonverbalen und vielleicht auch auf der energetischen Ebene – durch kleine körperspracheliche Bestätigungen und Nicht-Bestätigungen – das Verhalten unserer Gegenübers zum Teil mitbestimmen.


In jedem Fall hatten wir alle im Raum hatten das Gefühl, dass mit jedem Kärtchen ein völlig anderer Sebastian vor der Gruppe sitzt. Und dass das was auf der Karte steht irgendwie ziemlich plausibel wirkt. In dieser Übung waren die Geschichten natürlich so überzogen und unrealistisch, dass klar war, dass nichts davon die wirkliche Wahrheit war. Aber das Ziel der Übung war dasselbe, das ich jetzt auch gerade für diesen Podcast habe. Ich möchte unbedingt dafür werben, dass du dir eine gewisse Unsicherheit darüber, eine gewisse Verwirrung, einen gewissen Zweifel darüber, wie andere Menschen wirklich sind, konservierst. Dass du es lernst zu lieben NICHT zu wissen, wie andere Menschen wirklich sind. Denn nur, wenn du dir diese Unsicherheit bewahrst, kannst du ernsthaft neugierig sein, den anderen immer wieder neu kennenzulernen – egal ob du ihn 5 Minuten oder seit 40 Jahren kennst. Und diese Neugier ist nach allem was ich weiß, einer der größten Faktoren, wie du langfristig glückliche Beziehungen führen kannst.


Fazit

 

Wenn ich also mit meinem sozialen Umfeld und meinen Beziehungen nicht glücklich bin, kann ich das natürlich mein soziales Umfeld austauschen und hoffen, dass ich „die richtigen Menschen“ finde. Ich kann mir neue Freunde, eine neue Familie und eine neue Arbeitsstelle suchen. Aber meine Beobachtung ist: Wer versucht sein soziales Umfeld auszutauschen und nichts an seinem Bild von anderen Menschen ändert, wird dieselben Erfahrungen nur immer wieder mit anderen Menschen machen. Als würde man dasselbe Drehbuch immer wieder nur mit neuen Schauspielern inszenieren.


Nein, die sehr viel nachhaltige Lösung ist in meiner Welt, etwas an deinem Menschenbild zu ändern. Und dieses Bild kannst du im Grunde nur dann ändern, wenn du dir bewusst machst, was du über den anderen Menschen denkst nur ein Bild, nur ein Modell, nur eine Landkarte ist. Und dass du dieses Bild mit Freude und Neugier immer wieder in Zweifel ziehst.


Auch wenn das Meta-Bewusstsein darüber, dass das was du über den anderen Denkst nur ein unvollständiges Modell ist, sicher ein bisschen Zeit und Übung brauchen wird.

Wenn ich mit dieser Folge also auch dein Menschenbild ein bisschen auflockern und erweitern konnte, lass mir ein Like oder einen Kommentar da, dass sich dieser Podcast noch ein bisschen weiter verbreitet. Ansonsten schau mal vorbei auf meiner Website beziehungs-mindset.de.


Bis zum nächsten Mal. Tschüss.

 
 
 

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