Weihnachts-Special: 3-faches Gift und Gold für mehr Liebe und Verbindung an den Feiertagen
- Daniel Köpke
- vor 6 Tagen
- 17 Min. Lesezeit
Hallo und herzlich willkommen zu Beziehungs-Mindset. Ich bin Daniel und Weihnachten steht ja vor der Tür – und obwohl es ja eigentlich das Fest der Liebe sein sollte, kenne ich viele, für die diese Zeit durchaus gemischte Gefühle auslöst. Denn wenn Menschen mit scheinbar sehr unterschiedlichen Lebensrealitäten plötzlich mehrere Tage aufeinanderhocken, sind in vielen Familien Konflikte fast unvermeidlich.
Passend dazu geht es heute um das nächste unserer sechs Grundbedürfnisse: Liebe und Verbindung – und ich finde, das passt gut zu dem kleinen Weihnachts-Special, in das ich dich heute entführen will. Heute geht es nämlich darum, wie du auch mit Menschen aus deiner Familie in Liebe und Verbindung bleibst, mit denen die Kommunikation sonst vielleicht manchmal etwas holpriger läuft.
Dafür stelle ich dir ein Modell vor, das ich großartig finde: das 3-fache Gift und das 3-fache Gold von Michael Lukas Möller, dem Paartherapeuten, von dem ich auch die Zwiegespräche aus Folge 11 kennengelernt habe. Dieses Modell zeigt dir, welche drei Verhaltensweisen die Liebe und Verbindung gefährden – und welche drei sie stärken.
Und das Beste daran: Es funktioniert nicht nur in romantischen Beziehungen, sondern auch bei Menschen, die du vielleicht auch aus gutem Grund nur einmal im Jahr triffst. Ich wünsche dir viel Spaß mit dieser Folge – und vielleicht etwas mehr Frieden unterm Weihnachtsbaum.

3x Gift und Gold
Das 3-fache Gift und das 3-fache Gold kann man neben den Zwiegesprächen wohl ohne Übertreibung als das Lebenswerk von Michael Lukas Möller verstehen. Sie zeigen auf erstaunlich einfache und sofort umsetzbare Weise, welche kleinen Verhaltensrituale Verbindung schaffen – und welche Mikrohandlungen sie genauso zuverlässig sabotieren.
Mal als Überblick vorweg: Das 3-Fache Gift sind
- Einsame Entscheidungen,
- Projektion und
- Stille Erwartungen
Das 3-Fache Gold sind
- Verhaltenswünsche,
- positive Rückmeldungen und
- Selbstoffenbarungen.
Und ja, wir schauen das gleich noch an ganz vielen Beispielen an.
Was mich an diesem 3fachen Gift und Gold so fasziniert, sind zwei Dinge: Einerseits, dass es so einfache Regeln sind, die so präzise und einfach beschreiben, wie eine gute und schlechte Kommunikation in Beziehungen funktioniert. Und dass ich – obwohl ich das Modell jetzt schon einige Jahre kenne – noch kein einziges Gegenbeispiel gegen diese Kommunikationsregeln gefunden habe.
Und zweitens, dass du in so einer Situation, wo jemand was zu dir sagt, dass sich einfach irgendwie komisch anfühlt. Irgendwie ungerecht, unhöflich, oder einfach falsch… Und du oft gar nicht so recht sagen kannst, warum sich das eigentlich gerade so blöd angefühlt hat, was da jemand zu dir gesagt hat.
Mit dem Wissen um das 3-fache Gift und Gold kannst du auf den Punk genau sagen, warum sich das so falsch angefühlt hat – und vor allem: Wie man dasselbe hätte besser sagen können. Denn oft geht es gar nicht darum WAS gesagt wird, sondern WIE man etwas sagt. Und für das WIE und auch für das WIE NICHT bekommst du mit dem 3-fachen Gift und Gold heute einen neuen Kompass an die Hand.
Einsame Entscheidungen
Fangen wir mal an mit dem ersten Gift, den einsamen Entscheidungen. Und die finden sich nicht nur in Sätzen wie „Schatz, ich hab schonmal den Urlaub für uns gebucht.“ Oder in Gedanken von: „dem erzähl ich nie wieder was Persönliches.“ Es kann auch ein „Ich hab gerade mit deinen Eltern telefoniert und sie für Heiligabend zu uns eingeladen.“ Oder ein „ich hab dann mal eine Gans bestellt. Es gibt dieses Jahr ein traditionelles Menü.“ sein.
Einsame Entscheidungen sind in vielen Fällen nicht einmal direkt böse gemeint und gegen den anderen gerichtet. Und doch setzen sie in vielen Fällen den Timer für eine tickende Zeitbombe. Denn wenn Entscheidungen, die den anderen mit betreffen ohne den anderen getroffen werden, mag das noch so nett gemeint sein – in vielen Fällen belasten diese Entscheidungen mehr oder weniger stark die Verbindung in der Beziehung.
Denn wenn ich ohne den anderen entscheide, mag sich das für mich vielleicht nach Effizienz, nach Fürsorge und Verantwortungsübernahme anfühlen. Für den anderen kann es aber leicht als Entwertung, Überrumpelung und Kontrollverlust ankommen.
Egal ob es um die Entscheidung von Abläufen über das Weihnachtsfest, den Ort des Feierns oder der Wahl des Desserts geht – die meisten Menschen schätzen es, wenn sie in Entscheidungsprozesse mit einbezogen werden. Und sei es, dass sie die bewusste Wahl treffen dürfen, nicht selbst entscheiden zu müssen.
Einsame Entscheidungen dagegen bauen gewissermaßen einen so genannten Doublebind auf, also eine Situation in der der andere nur verlieren kann: Wenn dir gefällt, was ich entscheide, stehst du hinterher vielleicht in meiner Schuld. Schließlich habe ich ja etwas Gutes für dich entschieden. Wenn dir aber nicht gefällt, was ich entscheide, ist es ein leichtes für mich, dich darzustellen als wärst du undankbar. In beiden Fällen entsteht ein Machtgefälle zu deinen Ungunsten.
Einsame Entscheidungen sind Beziehungskiller, weil sie sich in vielen Fällen als gute Absicht verkleiden. Sie geben vor, die Beziehung zu schützen und zu stärken, wobei sie sie jedoch häufig untergraben. Einsame Entscheidungen sind oft motiviert aus einem Bedürfnis nach Sicherheit, der Angst vor Ablehnung, vor Konflikten oder davor, sich verletzlich zu machen. Wenn ich ohne dich entscheide, gehe ich nicht das Risiko ein, dass du Nein sagen könntest.
Projektion
Oder: Den anderen verwechseln mit dem Bild was wir von ihm haben
Kommen wir aber zum zweiten Gift. Und Michael Lukas Möller hat es genannt: die Verwechselung vom dem Bild, das wir von anderen Menschen haben, mit den anderen Menschen selbst. Und auch wenn man in der Psychologie darunter eigentlich ein bisschen etwas anderes versteht: Lass uns der Einfachheit halber hier mal von Projektion sprechen.
Bei der Projektion verrutschen Menschen nicht in ihren Taten, sondern in ihrer Wahrnehmung. Sie reden nicht mit einem Menschen, sondern mit einem selbstgebastelten Avatar aus Erinnerungen, Ängsten und halbgaren Interpretationen.
Angefangen bei einem „Sei doch nichts so empfindlich.“ Über ein „Du bist genau wie deine Mutter“ bis zu einem „Du hast dich doch sonst immer über Blumen gefreut“… Projektion manifestiert sprachlich eine halluzinierter Persönlichkeitsbeschreibung, aus der sich der Andere oft nur mit großem Aufwand wieder befreien kann.
An Weihnachten hört man öfter mal Sätze wie „Bor jetzt ist der wieder beleidigt“, obwohl sich jemand nur mal für eine Mittagsruhe kurz hinlegen will. Oder es heißt „du willst mich mit deinen Prinzipien doch nur provozieren“, weil jemand verkündet, dass er nichts vom Weihnachtsbraten essen wird, weil er entschieden hat vegan zu leben.
Projektion nimmt einen vereinzelten Moment, ein Verhalten oder eine Stimmung und generalisiert sie herauf zu einer Identität. Sie macht einen Screenshot aus der Vergangenheit und überpinselt damit die komplette Zeitlinie. Projektion macht Verbindung und Liebe nicht nur unmöglich, sondern im Grunde überflüssig: Wenn ich sowieso schon weiß, wie du bist, was du denkst, was du willst und wie es dir geht – warum muss ich dann noch nachfragen?
Auch Projektion führt in einen Doublebind: Denn, wenn ich sage: „Du willst mich doch nur fertig machen.“… Wenn ich dir das zu Unrecht vorwerfe, musst du schon schier erleuchtet sein, dass dich diese Unterstellung nicht zumindest ein bisschen wütend macht. Und möglicherweise deute ich deine Wut dann als Beweis für meine These, dass du mich ja nur fertig machen willst.
Und ja selbst wenn es stimmt… Indem ich sage „dass du mich ja nur fertig machen willst“, nehme ich dir im Grunde jede Chance, deine Einstellung mir gegenüber zu verändern. Hallo selbst erfüllende Prophezeiung.
Stille Erwartungen
Kommen wir also zum dritten Gift. Und das ist die stille Erwartung. Stille Erwartungen umfassen alles von dem klassischen „wenn du mich liebst, weißt du schon, was ich brauche.“ über die Selbstverständlichkeit, dass es natürlich bedeutet, dass man einander treu und monogam ist, wenn man eine Beziehung miteinander eingeht… Bis hin zur unausgesprochenen Erwartung, dass man selbst verständlich sich am weihnachtlichen Alkoholexzess beteiligen wird.
Generell - die Geschenke ein Weihnachten sind ein wahres Fest der stillen und unausgesprochenen Erwartungen. Der eine erwartet besonders persönliche Geschenke, der andere besonders teure, der nächste würde am liebsten gar nichts schenken. Und da es ja eine Überraschung sein soll, spricht selbst verständlich niemand über seine Erwartungen.
An stillen Erwartungen ist beides toxisch: Sowohl die Stille als auch die Erwartung. Und beides in Kombination potenziert sich oft. Ich meine, die Bemerkung „also wir würden uns ja schon auch über Enkel freuen.“ Ist ja, wenn sie eine ausgesprochene Erwartung ist, schon ein ziemlicher Tritt ins Gesicht. Aber wenn sie einfach nur durch einen abfälligen Blick, kommuniziert wird… Was soll das denn Positives zur Stimmung beitragen?
Warum Menschen ihre Erwartungen nicht kommunizieren, kann sehr unterschiedlich sein. Stille Erwartungen können manchmal motiviert sein durch ein verklärt-romantisches Bild von Telepathie, die als Liebesbeweis dienen soll. In manchen Fällen soll sie aber einfach auch eine Verbindung ohne Risiko schaffen – ohne Risiko, sich verletzlich zu machen. Ohne Risiko, egoistisch oder bedürftig zu wirken. Ohne das Risiko der Enttäuschung, dass der andere die Erwartung nicht erfüllen könnte.
Und es wäre illusorisch zu glauben, dass du KEINE Erwartungen in Beziehungen hast. Und andere Menschen werden ihre Erwartungen an dich erst recht nicht ohne Weiteres fallen lassen. Aber der erste richtige Schritt in die richtige Richtung könnte sein, diese Erwartungen einmal auszusprechen. Und damit kommen wir eigentlich auch schon zum ersten Gold, nämlich der Selbstoffenbarung.
Selbstoffenbarung
Sicher hast du schonmal gehört, dass es ratsam ist, in Beziehungen in Ich-Botschaften zu kommunizieren. Dabei geht es allerdings um mehr als nur das Wort „ich“ verstärkt in seinen Wortschatz einzuweben. Es geht darum, ein Fenster in die eigene Seele zu schaffen, in das der anderer hineinblicken kann.
Konkret meine ich damit, dass du dem anderen verständlich zu machen versuchst, wie du dich fühlst, was du wir wünscht und was deine Bedürfnisse sind. Du sprichst aus, was dich freut, was dich verletzt und was dir wichtig ist. Und ja, wenn es dir ein kleines bisschen Angst macht, dann liegt das vielleicht daran, dass du dich mit einer Selbstoffenbarung im besten Fall wirklich ein kleines bisschen verletzlich machst. Und ja – in meiner Welt ist das etwas Gutes. Denn die Beziehung wird davon profitieren.
Selbstoffenbarungen machen aus einem „Du hörst mir nie zu.“ Ein „Wenn ich dir etwas erzähle und du schaust dabei auf dein Handy, fühle ich mich unwichtig und verliere die Lust, weiter zu erzählen.“ Sie machen aus einem „Du arbeitest zu viel“ ein „Ich vermisse dich.“ Und aus einem „Dein Geschenk war furchtbar“ ein „ich bin enttäuscht, weil ich mich durch dein Geschenk nicht wirklich gesehen gefühlt habe.“
Selbstoffenbarungen setzen jedoch voraus, dass dir deiner Wünsche, Erwartungen, Gefühle und Ziele bewusst bist, und dir im Klaren darüber bist, dass der andere nur davon wissen kann, wenn du ihm davon erzählst. Selbstoffenbarungen setzen voraus, dass du davon ausgehst, dass der andere grundsätzlich die Absicht hat, dich zu verstehen und auch deine Bedürfnisse zu erfüllen. Dass er dafür jedoch auf deine verbale Reflexion angewiesen ist.
Selbstoffenbarungen können dem anderen zeigen, was da in dir unter der Oberfläche brodelt. Und damit machst du es dem anderen leicht, eine zutreffende Erklärung für dein Verhalten zu finden.
Egal ob du dem anderen mitteilst, dass du dich gerade total überfressen fühlst und gerade ein bisschen schwertust, zuzuhören, ob du sagst, dass du gerade müde bist und ein kleines Nickerchen machst oder dass du gerade von der langen Autofahrt etwas zu erschöpft bist um in Weihnachtsstimmung zu sein.
Wenn du davon ausgehst, dass der andere nicht ahnen kann, was da in deinem Oberstübchen vor sich geht, gehst du Missverständnissen proaktiv aus dem Weg. Ohne Selbstoffenbarung kann es dagegen leicht passieren, dass der andere dein Verhalten persönlich nimmt oder sich davon kränken lässt. Und diesen Gedanken wieder loszuwerden ist viel schwerer, als ihn gar nicht erst aufkommen zu lassen, weil du dich von vornherein erklärst.
Positives Feedback
Kommen wir eigentlich auch schon zum zweiten Gold. Nämlich dem positiven Feedback. Wir Deutschen sind ja bekannt für unsere Meckerkultur. Vom schwäbischen „net G’schimpft is G’lobt genug“ bis zum Berliner Kompliment: „Da jibtet leider nischt zu meckern.“ – In unserer Kultur, geht unser Fokus oft genug zunächst erstmal auf die Dinge, die uns nicht gefallen.
Dabei gibt es einen guten Grund, dass ich mit Pascal eine ganze letzte Folge über Komplimente und Wertschätzung gesprochen habe. Denn wenn du jemandem sagst: „Hey, das hast du toll gemacht. Und ich hab das gesehen.“ Wirst du die Motivation, dass der andere das in Zukunft wieder so macht deutlich steigern.
Mit positivem Feedback stillst du den Hunger danach, wahrgenommen zu werden, wichtig zu sein und etwas zu bewirken. Und je spezifischer du anderen Rückmelden kannst, was sie Positives für dich getan haben, desto besser.
So kannst du auch ein „Danke“ aufwerten zu einem „Als du mir vorhin Kaffee gebracht hast, habe ich mich richtig umsorgt gefühlt.“ Und ein „ich liebe dich“ kann sogar noch wirkungsvoller werden, wenn du sagst „Es bedeutet mir viel, dass du den ganzen Samstag mit mir verbracht hast, obwohl du so wenig Zeit hast.“
An Weihnachten kannst du die Qualität deiner Geschenke im nächsten Jahr vermutlich besser steuern, wenn du darüber sprichst, über welche Geschenke du dich wirklich freust, als wenn du dich entweder laut, oder sogar nur mit dem Verdrehen deiner Augen über den achten kratzigen Weihnachtspullover von Oma Renate beschwerst. Und vielleicht kannst du mit mehr Hilfe mit dem Abwasch nach der zweiten Mahlzeit rechnen, wenn du Dankbarkeit über die Hilfe beim ersten Abwasch empfindest und diese dann auch ausdrückst.
Energie folgt der Aufmerksamkeit – und wenn du es dir zu Gewohnheit machst, verstärkt Dinge zu benennen, die dir gefallen, statt Dingen die dich aufregen, werden zwei Dinge passieren. Erstens motivierst du deine Mitmenschen dazu, mehr von dem zu tun, was dir gefällt. Und zweitens (und das finde ich sogar noch wichtiger): Werden dir immer noch mehr positive Dinge auffallen, was Menschen die ganze Zeit schon für dich tun.
Ob es ist, dass sie dich aussprechen lassen, mit viel Mühe ein großartiges Essen vorbereitet haben, dass sie freundlich bleiben obwohl sie eigentlich gerade ein bisschen sauer sind, sich am Weihnachtssingen beteiligen oder dass sie schlicht und einfach pünktlich sind. Vieles davon scheint vielen von uns selbst verständlich. Doch wenn du es als Leistung anerkennst, tust du damit in vielen Fällen euch beiden einen Gefallen.
Verhaltenswünsche
Und ja – es gibt vielleicht Menschen, da gibt es mehr zu loben und bei manchen muss man vielleicht ein bisschen länger warten, bis das blinde Huhn dann doch auch mal ein Korn pickt. Aber das schöne ist, es gibt ja noch eine dritte Goldene Regel. Und das dritte Gold sind ja Verhaltenswünsche. Und die große große Betonung liegt hierbei auf VERHALTENSwünschen.
Das heißt „sei mal ein bisschen netter“ ist kein Verhaltenswunsch, sondern Projektion. „Sei mal ein bisschen netter impliziert dass der andere NICHT nett ist, und generalisiert ein Verhalten zu einem Charakterzug. Ein Verhaltenswunsch wäre zum Beispiel: „Könntest du ein bisschen leiser sprechen?“ Und wenn du es mit einer Selbstoffenbarung wie „Dein lauter Tonfall macht mir ein bisschen Angst.“ kombinierst, erhöhst du sogar noch weiter, die Wahrscheinlichkeit, dass der andere deiner Bitte auch nachkommt.
Und auch „hör doch mal zu“ ist ebenfalls kein Verhaltenswunsch – denn im Grunde kannst du unmöglich wirklich wissen, ob der andere dich gerade wirklich gehört hat. Leichter machst du es dem anderen indem du sagst: „Ich würde mir wünschen, dass du mich erst ausreden lässt, selbst wenn du selbst gerade etwas Wichtiges dazu sagen willst.“
Verhaltenswünsche sind keine Appelle, keine Druckmittel und keine Erziehungsversuche. Sie sind eine Bedienungsanleitung für „so kannst du mich behandeln, damit es mir gut geht.“ Und ja, die Arbeit, das zunächst einmal herauszufinden und in die richtigen Worte zu bringen, kann dir leider niemand abnehmen. Auch die Scham, über die eigenen Bedürfnisse zu reden und die Angst darüber, eventuell zu viel für den anderen zu sein – könnten da zunächst einmal noch im Weg sein. Aber dem anderen eine konkrete Handlungsanweisung zu geben, ist eines der größten Geschenke, das du deinen Lieben je machen kannst.
Ob du im Vorhinein mit allen Beteiligten besprichst, wann und wo ihr feiert, welche Rituale wem wichtig sind, wie lange ihr bleiben wollt, wie viel Alkohol getrunken werden soll, wer fährt oder wer Fotos macht und wie ihr von eurem Partner unterstützt werden wollt, wenn jemand aus der Familie vielleicht doch etwas unangemessene Kommentare von sich gibt...
Je mehr Gedanken ihr euch über eine konkrete Erwartungshaltung im Bezug auf die Feiertage macht – und diese auch aussprecht – desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass da stille Erwartungen die festliche Stimmung drücken. Und wenn du glaubst, du hättest keine Erwartungen, schwindelst du dir wahrscheinlich ein bisschen in die Tasche. Denn wenn es irgendein Szenario gibt, in dem du enttäuscht hinterher sein könntest, hast du eine Erwartung. Denn du kannst nicht enttäuscht sein ohne eine Erwartung gehabt zu haben.
Das heißt, im Sinne des 3-fachen Goldes ist auch der Wunsch-Teil im VerhaltensWUNSCH wichtig. Anders gesagt: Es ist wichtig, dass dein Wunsch tatsächlich ein Wunsch und keine Forderung ist, damit die Beziehung davon profitieren kann. Und weißt du, was der Unterschied zwischen einem Wunsch und einer Forderung ist? Marshal Rosenberg, hat einmal gesagt:
Der Unterschied zwischen einem Wunsch und einer Forderung besteht in deiner Reaktion auf ein „Nein“. Wenn du zu jemandem sagst: „Ich würde mir wünschen, dass du beim Abwasch hilfst.“ Und der andere sagt freundlich: „nope“. Und du wirst sauer… Dann war es kein Wunsch. Dann war es eine Forderung.
Beispiele an Weihnachten
Jetzt haben wir es also zusammen das dreifache Gift – die stillen Erwartungen, die Projektionen und die einsamen Entscheidungen. Und das dreifache Gold – die Selbstoffenbarungen, das positive Feedback und die Verhaltenswünsche. Und das tückische ist: in realen Situationen treten sie oft ja gleich in Kombination auf.
Nehmen wir beispielsweise deinen leicht rassistischen Onkel Heinz, der sich mal wieder über die Asylanten in der Nachbarschaft aufregt. Da geht es ja schonmal los, mit der einsamen Entscheidung, an Weihnachten über politische Themen zu sprechen. Seine stille Erwartung ist es aber vielleicht auch, dass man ihm zustimmt und seinen Frust, seinen Ärger und seine Angst validiert und bestätigt. Und zumindest mal auf die Asylanten scheint er zu projizieren, dass sie faul, dumm, gefährlich oder anderweitig nicht gesellschaftsfähig sind. Drei giftige Punkte also für Onkel Heinz.
Das witzige ist… Er könnte inhaltlich genau das gleiche sagen, und dabei viel mehr zu einer liebevollen und von Verbindung geprägten Stimmung beitragen, wenn er sagen würde: „Wäre es ok, wenn ich dir ein bisschen von den Entwicklungen bei uns in der Nachbarschaft erzähle? (Verhaltenswunsch, fragt nach Zuhören) Du bist sonst immer sehr verständnisvoll und das tut mir meistens gut. (positives Feedback) Ich habe das Gefühl, dass bei uns in der Nachbarschaft ziehen immer mehr Asylanten ein. Und es macht mir Angst, dass ich ihre Sprache und ihre Kultur nicht verstehe. (Selbstoffenbarung).“
Und natürlich könntest du dich darüber aufregen, wenn Onkel Heinz sich nicht so gewaltfrei ausdrücken kann. Wenn du dich aber darüber aufregst, scheinst DU wiederum die stille Erwartung zu haben, dass Onkel Heinz deinen Moralvorstellungen und deiner Kommunikationskultur folgt. Vielleicht projizierst du auf ihn auch das Bild eines verbitterten, undankbaren Mannes und hast die einsame Entscheidung getroffen, das Gespräch mindestens mal schonmal innerlich zu beenden.
Geschickter würdest du es anstellen, indem du sagst: „Onkel Heinz, wenn du so über die Asylanten sprichst, ist mir das unangenehm (Selbstoffenbarung). Und wir wissen eigentlich beide, dass wir bei diesem Thema sowieso nur wieder streiten. Aber du kannst doch sonst so spannende Geschichten erzählen (positives Feedback). Erzähl mir doch lieber, was du Spannendes mit Tante Emma im Urlaub erlebt hast. (Verhaltenswunsch)“
Klar besteht immer noch die Gefahr, dass Onkel Heinz reagiert mit – „Ach du wieder mit deinem Gefühlsgedusel. Du hast doch keine Ahnung von den realen Problemen der Menschen.“ Das wäre dann nächste Projektion von ihm. Aber auch die könntest du dir ja, mit dem 3fachen Gold wieder in Selbstoffenbarungen wie „das Thema ist mir wirklich wichtig“ und Verhaltenswünsche wie „bitte gib mir das Gefühl, dass meine Angst eine Berechtigung hat“ übersetzen. Und je verletzlicher du dich machst, desto größer ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass sich auch zwischen euch eine Verbindung ergibt. Das dreifache Gold funktioniert also sowohl wenn du es deinen Mitmenschen ans Herz legst, als auch wenn du es selbst beherzigst und dich daran orientierst.
Anderes Beispiel:
Dein Cousin Kevin kommt zu spät, weil er vorher noch schnell ins Fitnessstudio musste. Und die ganze Familie ist sauer, weil sie fast zu spät zum Krippenspiel in der Kirche kommen. Das ist dreifach giftig, weil Kevin die einsame Entscheidung trifft, seinen Fitnessblock zu machen, ohne nachzufragen ob das in den Familienzeitplan passt. Die Familie hat die stille Erwartung, dass Kevin natürlich weiß, dass man pünktlich ist, dass es doch klar ist wann es los geht, weil doch die letzten Jahre das Krippenspiel auch immer schon um 15 Uhr begonnen hat. Und die Familie interpretiert und projiziert Kevins zu spät kommen als egoistisch und respektlos.
Eine goldene Alternative für Kevin wäre zu sagen: „Wäre es für euch ok, wenn ich vor dem Krippenspiel noch trainieren gehe? (Verhaltenswunsch) Ich brauche den Sport gerade wirklich, um meinen Kopf frei zu kriegen (Selbstoffenbarung). Und letztes Jahr war ich so gut gelaunt, als ich ausgepowert dazukam (positives Feedback).“
Eine goldene Alternative für die Familie wäre zu sagen: „Kevin, es ist sehr nett von dir, dass du dich um dich kümmerst, damit du wieder zur guten Stimmung an den Feiertagen beitragen kannst (positives Feedback). Wir werden allerdings nervös, wenn du zu spät kommst, weil wir gern entspannt zum Krippenspiel kommen möchten (Selbstoffenbarung). Kannst du uns bitte Bescheid geben, wenn du später kommst (Verhaltenswunsch)?“
Und noch ein drittes Szenario: Nehmen wir mal an, du hast jetzt diesen Podcast gehört und findest die Grundidee von dem dreifachen Gift und Gold jetzt so cool, dass du dir am liebsten wünschen würdest, dass alle in deiner Familie ab jetzt so kommunizieren würden. Und vielleicht weißt du auch, dass deine Großtante Margret sich für solche Dinge wie Kommunikation und Beziehungsarbeit und dergleichen grundsätzlich auch interessieren würde.
Dann kannst du ihr den Podcast natürlich einfach kommentarlos schicken. Das könnte jedoch die stille Erwartung mit sich bringen, dass sie sich diesen Podcast wirklich auch anhört und die Inhalte daraus dazu auch noch befolgt. Und außerdem projizierst du dann vielleicht ein Bild auf sie, dass sie schlecht kommunizieren würde. Nein, das wäre nicht so geschickt. Eine 3 fach goldene Variante, deinen Wunsch danach, dass Tante Margret sich diesen Podcast anzuhören auszudrücken wäre:
„Tante Margret, erinnerst du dich an unseren Streit letzte Weihnachten über erneuerbare Energien? Dieser Streit war mir ziemlich unangenehm und ich würde mir wünschen, dass wir dieses Jahr ein angenehmes Fest in weihnachtlicher Stimmung miteinander verbringen (Selbstoffenbarung). Ich weiß ja, dass du dich auch sehr für Kommunikation interessierst, schließlich hatten wir auch schon viele interessante Gespräche dazu (positives Feedback). Ich habe hier einen Podcast entdeckt, der unser Familie vielleicht helfen könnte, in friedlicher und feierliche Weihnachtsstimmung zu bleiben. Hast du Lust, ihn dir einmal anzuhören? (Verhaltenswunsch).
Sei nachsichtig
Ich glaube, langsam hast du den Dreh raus, oder? Und ja, viel von dem was ich dir hier in diesem Podcast erzählt habe, kennst du eigentlich schon längst. Und irgendwie läuft es ja dasselbe hinaus. Dass du über dich und über den anderen sprichst – in der Gegenwart. Und dass du emotional relevante Themen ansprichst und dich damit immer wieder ein kleines bisschen verletzlich machst, dem anderen jedoch einen Einblick in deine von außen unsichtbare Innnenwelt gibst.
Und trotzdem geht es dir vielleicht auch wie mir, dass bei allem Wissen darum, diese Art zu kommunizieren auch für in manchen Situationen immer noch ein bisschen Übung braucht – und auch ich mich immer mal noch ab und zu bei giftigen Kommentaren erwischt. Und ich vermute auch, dass ich nicht damit allein bin, dass ich mir wünschen würde, dass auch meine Mitmenschen mehr auf diese Art und Weise mit mir reden würden. Ich bin mir aber auch im Klaren darüber, dass ich in dieser Hinsicht keine Wunder erwarten kann.
Ich erwarte keine lupenreine gewaltfreie Kommunikation wie aus dem Lehrbuch von jemandem der sich den ganzen Tag nur über Nachbarn, Kollegen und Familie auskotzt, nur weil mal den Wunsch geäußert hast, er möge vielleicht häufiger von seiner Perspektive und seinen Gefühlen sprechen. Ich freue mich stattdessen, wenn er sagt: „ICH finde ja, dass die neuen Nachbarn richtige Arschlöcher sind.“
Ich will damit sagen: Wenn Menschen anfangen, ihre Kommunikation bewusst zu verändern, gestatte ihnen, dass sie anfangs damit richtig scheiße sind. Ich meine, drehen wir das Ding mal um. Sagen wir mal jemand, der mir viel bedeutet, wünscht sich etwas von mir, das ich überhaupt nicht kann und womit ich überhaupt keine Erfahrung habe. Bei mir wäre es so etwas wie Paar-Tanz. Egal ob Salza, Tango, Chachacha oder Disko-Fox… Beim Tanzen mir einem anderen Menschen hab ich echt zwei linke Füße. Und der Gedanke, das mal mit jemandem machen zu müssen, bereitet mir ehrlich gesagt schon eine milde Panik.
Zum Glück hat bisher noch keine meiner früheren Partnerinnen von mir verlangt, diese Paartänze mit mir zu tanzen zu müssen. Aber wenn eine Partnerin sich das von mir wünschen würde, müsste sie ziemlich geduldig mit mir sein. Geduldig genug, es zu ertragen, dass ich am Anfang einfach grottig darin bin. Dass ich mich kaum koordiniert bekomme, meine Füße mit ihren zu koordinieren, geschweige denn das ganze noch zu Musik. Und ja mir ist einfach mal krass peinlich, mir einzugestehen, dass ich mit 36 Jahren immer noch nicht gelernt habe zu Paar-Tänze zu tanzen.
Und die Kleinschrittigkeit der Lern-Schritte, die es bräuchte, damit ich überhaupt eine realistische Chance hätte, das so lernen ist so erniedrigend klein, dass ich mir vorstellen kann ist, wie schwer das sein muss, mir da eine gesichtswahrende Brücke zu bauen, die mich nicht überfordert und mir gleichzeitig nicht das Gefühl gibt, dass ich der größte Depp auf dem Planeten bin.
Wenn man dagegen aber von mir verlangt, dass ich gleich in der ersten Tanzstunde die Führung übernehme und sonst was für Pirouetten drehe? Not gonna happen. Ich hab ja selbst schon einen viel zu großen, limitierenden Anspruch an mich. Da brauche ich nicht noch Druck von jemand anderem.
Wenn ich das jetzt mal übertrage auf das Thema Kommunikation… Mir macht es Spaß, mich damit auseinander zu setzen, und dir vermutlich auch wenn du diesen Podcast hörst. Für andere ist es vielleicht wie Paar-Tänze es für mich sind. Für die Onkel Heinzes, Cousin Kevins und Großtante Margrets dieser Welt ist es vielleicht ein riesiger Schritt aus der Komfortzone, sich zumindest ab und zu mal ein kleines bisschen verletzlich zu zeigen statt sich in erhitzten Debatten übers Gendern, Klimakrise, Ukrainekonflikt oder Einwanderungspolitik zu verirren. Jeder Schritt auf einen Kommunikationsstil hin, der zu einem friedlichen, liebevollen Weihnachtsfest führt, darf belohnt werden – und ja, auch wenn er von dir kommt.
Ich hoffe auf jeden Fall, dass ich mit dieser Folge ein kleines bisschen etwas dazu beitragen konnte, dass deine anstehenden Feiertage noch mehr zu einem Fest der Liebe, der Verbindung und der guten Gespräche werden mit Menschen, die du eigentlich gern hast… Die es dir nur bisher vielleicht manchmal etwas schwerer gemacht haben, eine gute Beziehung mit dir zu führen. Lass es mich auf jeden Fall gern in den Kommentaren wissen, wenn ich dich in dieser Hinsicht inspirieren konnte und verteil den Podcast gern weiter an Menschen, von denen du glaubst, dass sie davon auch profitieren könnten.
Wir hören uns wahrscheinlich erst im neuen Jahr wieder, und auf diese Folge mit dir freue ich mich auch schon sehr. Bis dahin sage ich aber erst einmal: Tschüss.