In einer klassischen Männer-Frauen-Beziehung kommt es aufgrund der Unterschiedlichkeit der Geschlechter immer wieder zu Missverständnissen und Konflikten. Männer und Frauen sind aus meiner Sicht zwar gleichwertig, jedoch keinesfalls gleichartig. Aus der unterschiedlichen Biologie, Psychologie und Sozialisation ergeben sich unterschiedliche Bedürfnisse, die zu Streitigkeiten bis hin zur Trennung führen, wenn sie nicht beachtet werden. Daher möchte ich in diesem Artikel für Verständnis für die am häufigsten in Beziehungen unerfüllten Bedürfnisse von Männern und Frauen werben und konkrete Tipps und Hinweise geben, wie man dennoch eine gute Beziehung führen kann.
Was Männer über Frauen nicht verstehen
Ich will dich zunächst ein wenig amüsieren und dir aus meiner männlichen Perspektive darstellen, was Frauen wirklich wollen. Ich meiner Meinung nach von Frauen am häufigsten unerfüllte Bedürfnis in Beziehungen ist das Bedürfnis nach Sicherheit. Anders gesagt: Die durchschnittliche Frau empfindet deutlich mehr und häufiger Angst und andere negative Gefühle als der durchschnittliche Mann. Man könnte auch sagen, dass die Reizschwelle, ab der eine als bedrohlich empfundene Situation tatsächlich Angst und negative Gefühle bei Frauen auslöst, liegt deutlich niedriger als bei Männern.
Dieses Phänomen ergibt biologisch gesehen auch sehr viel Sinn. Denn es gibt etliche fürchtenswerte Gefahren in dieser Welt, die für Frauen bestehen, für Männer jedoch nicht. Vor allem sexuelle Gefahren: Eine Frau kann ungewollt schwanger werden und auch das Risiko einer Vergewaltigung ist bei Frauen erheblich höher als bei Männern. Und aufgrund der anatomischen Gegebenheiten ist die Ansteckungswahrscheinlichkeit für sexuell übertragbare Krankheiten bei Frauen wesentlich höher. Zudem ist die emotionale Bindung zwischen einer Mutter und einem Säugling wesentlich stärker als die zwischen einem Vater und dem Säugling. Daraus resultiert eine größere Schutzverantwortung der Mutter für das verletzliche junge Leben. In diesem Fall sorgt die niedrigere Reizschwelle für die Wahrnehmung von Angst dafür, dass die Aufmerksamkeit der Mutter auf den Bedürfnissen des Kindes bleibt. Wäre das nicht so, wäre die Menschheit vermutlich längst ausgestorben, da Säuglinge ersticken, erfrieren, verhungern oder durch Verletzungen ums Leben kommen würden.
Die gesteigerte Empfindlichkeit gegenüber Angst und negativen Gefühlen ist dabei nicht nur ein abgedroschenes Klischee. Sie spiegelt sich auch im Ergebnis von psychologischen Tests immer wieder. In großen Studien am Big-Five-Modell zeigt sich, dass Frauen in der Ausprägung der Eigenschaft „Neurotizismus“, die die Wahrnehmungsschwelle für negative Emotionen beschreibt, durchschnittlich ein Ergebnis im 60. Perzentil erreichen*. Das bedeutet, dass eine durchschnittliche Frau mehr Angst empfindet als 60% der Gesamtbevölkerung.
Da sie dieses Sicherheitsbedürfnis selbst oft nicht teilen, ist es für Männer emotional meist nicht nachvollziehbar, dass einer Frau extrem wichtig ist, dass für ihre Sicherheit gesorgt ist. Einer Frau tut man also in den meisten Fällen einen Gefallen, wenn man ihr ein Gefühl von Schutz und Sicherheit vermittelt: Wenn man ihr das Gefühl gibt, OK zu sein, sich um ihre Bedürfnisse, ihre Verletzlichkeit und ihre Gefühle kümmert. Wenn man ihr glaubhaft vermittelt, sie auch in schwierigen Zeiten zu unterstützen und ihr die Erfahrung vermittelt, körperlich, emotional und finanziell unterstützt zu werden.
Was du als Mann tun kannst
Sicherheit entsteht, wenn ein Mensch die Erfahrung macht, dass die versprochenen Tätigkeiten tatsächlich auch eingehalten werden.
Wenn du ankündigst, dass du den Müll herunterbringst und es dann auch tatsächlich tust.
Wenn du ankündigst, dass du deinen Job kündigst, der dich so unglücklich macht und es dann auch tatsächlich tust.
Wenn du versprichst, dich im Streit mit der Schwiegermutter auf ihre Seite zu stellen und es auch tatsächlich tust.
Wichtig ist also, dass du dir angewöhnst, realistische Zukunftsversprechen zu geben, die du auch tatsächlich einzuhalten in der Lage bist.
Wenn du ein Mann bist und eine gute Beziehung mit einer Frau führen möchtest, zeig ihr, was sie von dir erwarten kann. Du tust der Frau keinen Gefallen, wenn du ihr, um sie in ihrer Angst zu beruhigen, das Blaue vom Himmel versprichst, obwohl du vermutlich gar nicht den Mut, die Kraft, die Zeit oder die Motivation hast, ihren Wünschen nachzukommen. Deine Frau sollte ein realistisches Bild davon haben, was sie von dir erwarten kann.
Wenn sie etwas von dir verlangt, das du nicht tun kannst oder willst, dann erkläre ihr, welche Widerstände, Ängste, inneren Konflikte oder Einwände dagegen stehen. Vielleicht kann deine Frau dir dabei helfen, das was dagegensteht, aus dem Weg zu räumen, wenn du sie darum bittest. Und falls nicht, kannst du so zumindest für Verständnis werben, warum du ihrem Wunsch nicht nachkommen kannst. Das ist noch immer besser für ihr Sicherheitsgefühl als ihr etwas zu versprechen und sie dann doch zu enttäuschen.
Setze dir deine Ziele so, dass ihr Bedürfnis nach Sicherheit und Schutz davon profitiert und erkläre ihr, wie dein Handeln dazu beiträgt, dass sie sicher ist. Mach ihr klar, dass du am besten für ihre Sicherheit sorgen kannst, wenn sie dich in deinen Zielen unterstützt und stabilisiert. Bringe ihr bei, wie genau sie das tun kann und was dir dabei helfen würde.
Damit hast du vermutlich eine lebenslange Aufgabe.
Was Frauen über Männer nicht verstehen
Ein von Frauen häufig unterschätztes Problem von Männern dagegen ist, dass ihre Männlichkeit von der Gesellschaft und manchmal eben auch von ihnen selbst infrage gestellt wird. Das Selbstbild „ich bin ein Mann“ ist bei Männern wesentlich fragiler als das Selbstbild einer Frau „ich bin eine Frau“. Es ist leicht, einen Mann zu beleidigen, indem man ihm vorwirft, kein „richtiger“ Mann zu sein. Einer Frau dagegen vorzuwerfen, sie sei keine „richtige“ Frau ist in den meisten Fällen absurd.
In dem Versuch, ihre Männlichkeit zu beweisen, versuchen viele Männer sich besonders gut durchzusetzen, besonders erfolgreich zu sein, besonders viel Geld zu verdienen, besonders gut Widerstände überwinden und Risiken eingehen zu können oder auf besonders dominante Art und Weise die Führung über eine Gruppe zu übernehmen. All diesen Dingen ist gemein, dass ein Gefühl von Männlichkeit immer dann entsteht, wenn Ziele auch gegen Widerstände umgesetzt werden, die im Idealfall auch einen Mehrwert für andere Menschen bringen. Ziele zu erreichen gibt den meisten Männern das Gefühl, sinnvoll und hilfreich in der Gesellschaft zu sein – meiner Meinung nach das am häufigsten unerfüllte Bedürfnis von Männern. Anders gesagt: Männer brauchen das Gefühl, gebraucht zu werden.
Doch da die Welt oft nur sehr unkonkret offenbart, auf welche Art und Weise Männer gebraucht werden können, ergibt es sich oft, dass Männer sehr unbeständige Ziele im Leben haben: Im einen Moment investieren sie alle ihre Energie in ihren Job, als nächstes coachen sie mit voller Energie das lokale Fußball-Team und ein paar Monate später widmen sie all ihre Zeit und Energie, der Verwirklichung von politischen Ideen. Diese unbeständigen Ziele sorgen dann häufig dafür, dass Männer die Erfahrung machen, dass sie ihre gesteckten Ziele am Ende doch nicht erreichen und scheitern - worunter ihr Männlichkeitsgefühl wiederum sehr leidet.
Viele Männer leiden darunter, dass ihnen nicht konkret gesagt wird, was genau sie tun können um einen hilfreichen und wirkungsvollen Effekt auf andere Menschen zu haben. Natürlich kann ein Mann sich auch seine eigenen Ziele setzen. Bei vielen Männern führt das jedoch dazu, dass sie heute das eine wollen und morgen etwas anderes. Folglich drehen sie sich dann oft ein wenig im Kreis und erreichen am Ende nichts von dem, was sie sich einmal vorgenommen haben. Eine Frau, auf deren Meinung er Wert legt, kann viel Stabilität in dieses System bringen.
Vielen Männern fällt es allerdings wesentlich schwerer, aus subtilen Signalen und Andeutungen konkrete Handlungen abzuleiten. Eine Anweisung wie „bitte unterstütze mich in dieser Sache“, „ich möchte, dass du zu mir stehst“, „bitte sieh mich“ oder „ich möchte, dass du meine Grenzen respektierst“ können viele Männer nicht verarbeiten. Frauen sind dagegen in der Regel wesentlich empathischer und können damit auch aus so unkonkreten Anweisungen ableiten, was sie genau tun können, um den Wünschen des anderen zu entsprechen.
Auch das ist nicht nur ein Klischee, sondern wird in psychologischen Studien am Big-Five-Modell immer wieder bestätigt: Frauen erreichen auf der Verträglichkeits-Skala durchschnittlich ein Ergebnis im 61,5. Perzentil*. Frauen sind also im Schnitt empathischer als 61,5% der Gesamtbevölkerung. Diese fehlende Empathie von Männern und das instabile Bild der eigenen Geschlechtlichkeit ist für viele Frauen ebenfalls emotional nicht nachvollziehbar, da sie diese Erfahrung in ihrem Leben persönlich nie machen.
Was du als Frau tun kannst
Wenn du also eine Frau bist und eine gute Beziehung mit einem Mann führen möchtest, unterstütze ihn darin, seine Ziele und Träume zu erreichen. Erinnere ihn daran, wofür sein Herz noch vor ein paar Wochen oder Monaten gebrannt hat und was ihm damals wichtig gewesen ist. Mach ihm keine Vorwürfe, wenn er dabei scheitert, sondern ermutige ihn vor allem in schweren Zeiten, am Ball zu bleiben und nicht aufzugeben. Kommuniziere deine eigenen Wünsche und Bedürfnisse in möglichst konkreten Handlungsanweisungen. Wenn du deinen Mann um etwas bittest, frage dich stets: „Könnte ein unbegabter Schauspieler diese Anweisung umsetzen?“.
Anstatt ihm zu sagen: „Bitte höre mir zu." sage ihm „Bitte unterbrich mich nicht sofort, wenn ich dir von einem Problem erzähle."
Anstatt ihm zu sagen: „Bitte krieg dein Leben auf die Reihe." sage ihm „Bitte nimm diesen Job an, von dem du schon so lange schwärmst."
Anstatt ihm zu sagen: „Bitte nimm mich wichtiger." sage ihm „Bitte organisiere deine Termine so, dass wir jede Woche ein oder zwei Abende zu zweit verbringen können."
Mach ihm klar, dass es die großartigste Aufgabe überhaupt ist, für deine Sicherheit zu sorgen. Bringe ihm bei, was genau er in dieser Sache für dich tun kann. Das funktioniert am leichten, wenn du ihm immer wieder bewusst machst, was er bereits für dich tut und was er in deinem Leben bereits zum Positiven verändert hat. Erinnere ihn immer wieder an jene Momente, in denen er augenscheinlich mit Leichtigkeit und Freude bereits für deine Sicherheit gesorgt hat. Diese Bestätigung verstärkt und wird auch in Zukunft dafür sorgen, dass er sich für deine Sicherheit engagiert.
Damit hast vermutlich auch du ein Leben lang zu tun.
*Quelle: understandmyself.com
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